Warum du viel effizienter (und mutiger!) bist, wenn du deine Aufmerksamkeit bewusst steuerst.

„Ach komm, das mache ich schnell noch nebenbei“: Im Meeting die neuesten WhatsApp-Nachrichten checken. Beim Online-Seminar parallel eine andere Aufgabe erledigen. Oder abends über das neue Projekt nachdenken, während die Kinder von ihrem Tag erzählen.

Wie das alles gleichzeitig gut und effizient funktionieren kann?

Die Antwort ist ganz einfach: Gar nicht 😊!

Worum geht es eigentlich bei „Multitasking“?

Der Begriff Multitasking kommt ursprünglich aus der Informatik. Er bezeichnet die Fähigkeit des zentralen Computer-Prozessors, mehrere Prozesse gleichzeitig ablaufen lassen zu können.

Auf den Menschen und unseren alltagssprachlichen Gebrauch übertragen, wird unter Multitasking verstanden, dass man zwei oder mehr Dinge gleichzeitig tun kann.

Tatsächlich ist es aus kognitionspsychologischer Sicht jedoch so:

„Was jedoch wirkt, als geschehe es gleichzeitig, ist es im Grunde nicht. Wir wechseln vielmehr bewusst oder unbewusst die Aufgaben. Dieses Hin- und Herschalten läuft rasch im Millisekundenbereich ab und wird daher als zusammenhängend wahrgenommen. Tatsächlich werden die Entscheidungen aber nacheinander getroffen. Die Aufmerksamkeit ist immer nur auf einen Arbeitsschritt gerichtet.“

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2019): Arbeitsunterbrechungen und Multi­tasking täglich meistern.“ S.5

Die menschliche Aufmerksamkeit hat ein gewisses Maß. Wie z.B. ein Kuchen (so stelle ich mir das vor 😊). Je mehr Dinge ich gleichzeitig tue, desto kleiner werden die jeweiligen Kuchenstücke. Künstlich vergrößern oder vervielfältigen kann ich den Kuchen jedoch nicht.

Egal, was wir uns vielleicht wünschen, Multitasking ist nicht möglich. Tatsächlich wechseln wir Menschen zwischen den Aufgaben. Denn unser Gehirn lässt nur eine Sache auf einmal zu, und wir müssen hin und her springen.

Bei alltäglichen und routinierten Dingen wie Kaffeetrinken und dabei Zeitung lesen, mag das noch ganz gut klappen. Sobald die Aufgaben komplexer und die Arbeitsbelastung höher werden, wird es deutlich schwieriger.

Parallel Dinge erledigen und gute Ergebnisse abliefern – das geht kaum. Multitasking ist ein Märchen, das wurde durch mehrere Studien belegt.

Oh! Ich dachte, Multitasking ist besonders schlau ☹

Nee, leider gar nicht. Im Gegenteil: Multitasking ist ineffizient.

Zwanzig bis vierzig Prozent mehr Zeit ist nötig, um mit Multitasking komplexe Aufgaben zu erledigen. Und Multitasking schwächt unsere Konzentration und unsere Selbstkontrolle. Heißt, der Mensch lässt sich immer leichter ablenken.

Menschen, die sich häufig mit mehreren Medien gleichzeitig beschäftigen, schneiden bei einfachen Gedächtnisaufgaben sogar schlechter ab: Starkes Medien-Multitasking kann zu Aufmerksamkeitsdefiziten und Gedächtnisschwäche führen. Das hat eine Studie des Psychologischen Instituts in Stanford ergeben (Stanford, 2020).

Die Studien der letzten 15 Jahre kommen zu ähnlichen Erkenntnissen (z.B. Clifford Nass, 2009; Quellenübersicht s.u.):

  • Multitasking erschöpft uns: Zwischen Denkmodi zu wechseln ist anstrengend und erschöpft unsere Selbstregulierungskraft
  • Multitasking verschlechtert unsere Erinnerung: Das Gehirn kann zwei verschiedene Informationsströme nicht im Kurzzeitgedächtnis verarbeiten – und somit wird es auch nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert.
  • Multitasking verursacht Stress: Bis zu 40% mehr wahrgenommener Zeitdruck und Stress (!)
  • Multitasking reduziert den IQ und die Kreativität
  • Multitasking führt zu schlechteren Entscheidungen: Geringere Bandbreite an Diagnosen, schlechtere Entscheidungen

Naja, das klingt ja irgendwie nicht so gut.

Warum hält sich das Märchen vom Multitasking dann so lange?

Ja, klar, oftmals ist es im Alltag einfach nötig, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Aber immer? Und vor allem mit dem Wissen, dass Multitasking unter dem Strich nicht viel bringt, sondern nur noch mehr Stress erzeugt?

Ich vermute – auch aus meinen Erfahrungen im Coaching – dass es noch weitere Gründe gibt, an Multitasking zu „glauben“. Sie sind manchmal in den eigenen Glaubenssätzen oder Haltungen versteckt.

Ich höre häufiger solche Sätze wie (und kenne sie auch von mir selbst) :

  • „Ach, ich möchte nichts verpassen und alles im Blick haben.“
  • „Ich möchte alles auf die Reihe bekommen.“
  • „Mein Team braucht mich, ich muss immer und überall erreichbar sein.“
  • „Ich kriege das schon irgendwie hin, wenn ich auch abends oder am Wochenende noch…“
  • „Multitasking ist bei uns in der Firma normal, ich möchte niemanden enttäuschen oder unangenehm auffallen.“

Kennst du solche Überlegungen oder Sätze auch? Ich lade dich ein, sie ab sofort gütig und wertfrei zu überprüfen. Zu überlegen, was jetzt gerade passt. Was WIRKLICH sein muss. Und was nicht.

Zuerst: Der Realitätscheck

Natürlich passiert dein Job nicht im luftleeren Raum.

Du könntest einen Realitätscheck machen und dir die tatsächlichen äußerlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen deines Jobs abschauen. Welche davon kannst du beeinflussen, welche nicht?

Zum Beispiel ist es schwer möglich, dauerhaft erfolgreich den Job von drei Leuten gleichzeitig zu machen und dabei leistungsfähig und zufrieden zu bleiben.

Sprich ungünstige Rahmenbedingungen an und bitte deine Führungskraft um Priorisierung und Entscheidungen.

Und falls jemand fragt: Nein, es ist NIEMALS alles gleich dringend und wichtig, das ist nur ein Gefühl… 😉. Wo wir – mal wieder – bei den (oft unbewussten) eigenen Mustern und Glaubenssätzen wären…

Und was kann ich da machen? Mut zum „Monotasking“

Probiere – ab und zu mal – ein bewusstes „Eins nach dem Anderen“ aus. Was dieses Monotasking mit Mut zu tun hat? Eine ganze Menge!

Monotasking braucht Mut, um…

  • über den eigenen Schatten zu springen (und die eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen).
  • …den eigenen Anspruch herunterzuschrauben.
  • …die natürlichen Grenzen des Menschseins zu akzeptieren
  • …in Kauf zu nehmen, etwas zu verpassen (ich sage nur: Fear of Missing Out).
  • …mir selbst und anderen weniger beweisen zu müssen.
  • …zuzugeben, dass jeder Mensch im Job ersetzbar sind.

Es geht um: Priorisieren, reduzieren, abgeben, Nein sagen, sich entbehrlich machen, möglicherweise andere irritieren, loslassen,…

Mache einen ehrlichen Selbst-Check: Was muss wirklich sein? Und was könnte auch anders? Entscheide dich dann – mal so, mal so 😊.

Bewusst die eigene Aufmerksamkeit steuern – wozu?

Wofür lohnt es sich denn überhaupt, die eigene Aufmerksamkeit noch bewusster auszurichten? Menschen, die bewusst den Rahmen gestalten, Ablenkungen reduzieren und Grenzen setzen können, haben meist viel davon:

Mehr Energie und Gelassenheit, eine größere Resilienz, ein besseres Gedächtnis, mehr Konzentration und Freude!

Klingt ganz gut, oder?

Nach dem Programm der „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR) geht es sogar noch weiter, wie diese Hypothesen zeigen:

  • Wie und worauf der Mensch seine Aufmerksamkeit richtet, hat einen zentralen Einfluss auf das, was er wahrnimmt, wie er arbeitet, wie er sich fühlt.
  • Die eigene Aufmerksamkeit bewusst einzusetzen, ist die Basis jeder reflektierenden Handlung.
  • In der heutigen Arbeitswelt gibt es eine Vielzahl von Reizen ausgesetzt, die zu Multitasking verleiten und die eigene Selbstwirksamkeit schwächen.

Das Steuerungsvermögen deiner Achtsamkeit bewusst zu kultivieren, kann dich also in vielerlei Hinsicht stärken.

Viel Freude und Mut beim Ausprobieren und Variieren wünsche ich dir!

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Weiterführende Informationen zum Thema Multitasking

Memory failure predicted by attention lapsing and media multitasking”. Nature-Artikel zu Studienergebnissen von Madore, Khazenzon, Backes et al. (2020)

baua Praxis: Arbeitsunterbrechungen und Multi­tasking täglich meistern.
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2019)

A decade of data reveals that heavy multitaskers have reduced memory, Stanford psychologist says.” Stanford News (2018)

Arbeitsunterbrechungen und Multitasking. Ein umfassender Überblick zu Theorien und Empirie unter besonderer Berücksichtigung von Altersdifferenzen.
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2013)

Das Märchen vom effizienten Multitasking“ Artikel in der „Welt“ (2013)  

Media multitaskers pay mental price, Stanford study shows.” Artikel von Adam Gorlick zu den Stanford-Studien von Clifford Nass u.a. (2009)

Alle Seiten wurden im Oktober und November 2023 aufgerufen.