Lebendige Erfahrungen und philosophische Gedanken aus meiner Schweige-Ich-Zeit.

Einmal im Jahr nehme ich an einem MBSR-Schweigeretreat teil, um mir tiefer zu begegnen als es im Alltag möglich ist.

Vorletzte Woche habe ich fünf Tage mit mir verbracht, schweigend, achtsam, komplett offline und ganz im Hier-und-Jetzt. Zugleich wurde ich wunderbar angeleitet von einer geerdeten, warmherzigen Kursleiterin und getragen von der Gruppe.

Wie still es ist und wie wesentlich, wenn so viele Reize wegfallen! Und manchmal bei mir innendrin zugleich ganz laut. Denn im Alltag kann ich meine „Löcher“, Zweifel und Schwächen viel leichter wegschieben oder schnell durch andere Reize überdecken.

Meine persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen kostbaren, lebendigen fünf Tagen möchte ich gerne mit dir teilen:

  • Ganz im Moment sein ermöglicht eine viel breitere Wahrnehmung. Das Geräusch etwa, wenn man in eine Pfütze springt, ist wunderbar – das hatte ich ganz vergessen 🙂 ! Und wie beeindruckend es klingt, wenn Pferde über die Koppel galoppieren – und ich sie dabei im Dunkeln nur hören kann.
  • Alles ist ein Kreislauf von Leben und Vergehen, wie das frische, grüne Moos, welches auf dem absterbendem Baum wächst.
  • Und vieles ist fließend, z.B.: Wo beginne „Ich“ – und wo ist meine Außengrenze? Bin ich jetzt noch dieselbe oder eine andere als heute früh, weil ein paar Haare, die heute Morgen noch zu mir gehört haben, jetzt in der Bürste hängen…?
  • Jeden Moment gibt es nur einmal und keine Situationen zweimal, alles ist ständig im Fluss. Selbst wenn mir etwa morgens die Meditation leicht fällt, kann sie sich mittags schon wieder ganz anders anfühlen. Beides ist in Ordnung, alles gehört zum Leben dazu.

Meine wichtigste Erkenntnis:

Im Leben geht es immer wieder ums Festhalten und Loslassen. Und zwar alles zu seiner Zeit.


Ein paar Beispiele vom Festhalten und Loslassen:

  • Delegieren im Job:
    Was hältst du fest und was gibst du an Andere ab? Wie sehr kontrollierst du – und wo hältst du aus, dass andere die Aufgabe auf ihre Art machen? Das braucht Mut und Vertrauen!
  • Übergänge und Veränderungen im Leben z.B. durch Trennung, Abschied, äußere Einflüsse oder Neubeginn:
    Loslassen und trauern um das, was verloren geht, ist ganz natürlich und gesund. Und zugleich die Zuversicht beibehalten, dass du und dein Leben auch dann noch vollständig und ausreichend sind, wenn sich etwas ändert.
  • Körperfunktionen:
    Auch hier funktioniert alles durch festhalten und loslassen je nach Zeitpunkt, etwa bei der Nahrungsaufnahme und der Verdauung. Das Kauen klappt auch nur durch kontrolliertes Festhalten und Loslassen der Kaumuskeln. Eine ständige Anspannung ist qualvoll, dauerhafte völlige Entspannung wäre auch nicht gut – die Abwechslung macht es aus.
  • Das eigene Kind beim Großwerden begleiten:
    Zum Eltern-Sein gehört dazu, das eigene Kind Stück für Stück loszulassen und ihm etwas zuzutrauen. Denn nur so kann es lebensfähig werden und selbst-bewusst in die Welt hinaus gehen. – Puh, ist das schwer! Zum Glück passiert es schrittweise über Jahre…

Krampfhaftes Festhalten hat einen hohen Preis.

Manchmal halten wir auch krampfhaft oder zu lange an etwas fest, was schon längst vergangen ist oder bald vergehen wird. Das zeigt sich z.B. in bestimmten Vorstellungen und Erwartungen:

  • Es soll immer so schön bleiben, wie es jetzt im Moment gerade ist.
    Etwa kurz vor Ende des Urlaubs oder der großen Geburtstagsparty…
  • Das war schon immer so, anders geht es nicht.
    Z.B. bei der Gestaltung der Weihnachtsfeiertage…
  • Das muss immer wieder genau so sein, denn nur so ist es richtig.
    Z.B. langjährige Prozesse und Routinen, die unhinterfragt abgespult werden.

Etwas zu bewahren ist zutiefst menschlich und in unserer Gesellschaft (oft) ein hohes Gut. Es hat viel mit Kontrolle zu tun und zeigt sich in der Annahme, dass sich Leben und Alltag planen ließen. Da hat mich nicht zuletzt die Corona-Pandemie etwas anderes gelehrt….

Der Versuch, etwas krampfhaft festzuhalten, kann gar nicht gelingen oder schlägt sogar schnell ins Gegenteil um. – Alles ist und bleibt in Bewegung und in Veränderung.

Vielleicht ist dieser Gedanke für dich noch sehr neu und etwas verwirrend, weil er Gewohntes ins Wanken bringt. Doch wenn du ihn – ab und zu – zulässt, kann er sehr befreiend sein. Und viel Lebendigkeit und Im-Hier-und-Jetzt-Sein mit sich bringen!


Zu frühes Loslassen hilft auch nur kurzfristig weiter.

Manchmal lassen wir vielleicht auch zu früh los, wo es noch etwas mehr an Dranbleiben und Festhalten gebraucht hätte, z.B. bei:

  • Das ist mir zu anstrengend, da probiere ich es lieber erst gar nicht.
    Z.B. eine neue Aufgabe oder das Besprechen von Konflikten
  • Etwas anderes ist (angeblich) immer wichtiger.
    „Dafür habe ich keine Zeit, ich muss vorher erst noch…
  • Ich möchte nicht hinschauen, denn es könnte ja unangenehm sein.
    Z.B. die eigenen „roten Knöpfe“, Schwächen oder blinden Flecken.

Wenn ich etwas Wichtiges vermeide und ausblende, was zu mir oder meinem Leben gehört, mag das kurzfristig die einfachere und bessere Wahl sein.

Doch langfristig kann ich mit mir und anderen nur gesund in Beziehung kommen, wenn ich die Verantwortung für mich und mein Handeln übernehme. Gütig und mit allem, was dazu gehört.


Wann hältst du fest, wann lässt du los – und was erfährst du dabei über dich?

Du möchtest mit diesen Gedanken ein bisschen „schwanger gehen“ und herausfinden, wie sie zu dir passen?

Dann lade ich dich herzlich ein, dich in deinem Alltag gütig zu beobachten und für dich zu erforschen:

  • Wann hältst du etwas fest?
  • Wann lässt du etwas los?
  • Wann fühlt sich das gut an, und wann vielleicht auch nicht?

Und: Alles zu seiner Zeit! Spüre immer wieder nach, was gerade für dich passt!

Hilfreiche weiterführende Fragen können dabei sein (bitte suche dir nur die Fragen aus, die dich spontan ansprechen, denn es muss ja keine Doktorarbeit werden…):

  • Was möchte ich „festhalten“, wie lange und wozu?
  • Was könnte ich vielleicht (manchmal) loslassen?
  • Was würde ich gerne loslassen, merke aber, dass es mir schwer fällt?
  • Was würde ich gerne eine Weile festhalten, merke aber, dass es mir schwer fällt?

Mache dir Notizen für dich und schreibe mir gerne deine Gedanken und Erfahrungen.

Du möchtest noch intensiver auf deine reflektierende Reise gehen? Ich begleite dich im Karrierecoaching und Führungscoaching gern ein Stück dabei.

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