Dieser Blogartikel ist anders. Es hat mich etwas Mut gekostet, ihn zu schreiben. Aber es ist wichtig, denn es geht um sehr viel.
Vorab: Ein Hoch auf das deutsche Grundgesetz und die demokratische Gewaltenteilung. Im Artikel 1 steckt bereits so viel:
- (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
- (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
- (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Einen wunderbaren, sehr unterhaltsamen „Refresher“ zum Grundgesetz findest du übrigens am Ende des Blogartikels 😊.
Und nun zum ernsten Teil.
Aktuell beobachte ich viele politische und gesellschaftliche Entwicklungen mit großer Sorge. Und mache mir viele Gedanken dazu. Zum Glück treffe ich im analogen Leben zahlreiche Menschen, die dies ebenso tun und wichtige Zusammenhänge erkennen. Sich vielseitig informieren und eine fundierte Meinung bilden.
Nur kann uns leider niemand hören: Wir sind zu leise!!!
Zugleich wird das „Säbelrasseln“ vielerorts immer lauter – auf politischen und wirtschaftlichen Bühnen wie in den sozialen Medien. Das Recht der Stärkeren, Lauteren und Mächtigen schleicht sich zurück – mit echten und verbalen Keulen.
Schreien, Pöbeln und aggressives Drohen scheint zunehmend salonfähig zu werden. Die Hemmschwelle sinkt. Endlich „darf“ man wieder sagen, wie es „wirklich“ ist. Ganz entfesselt und ohne Rücksicht auf Verluste. Oder Werte.
Die „Wahrheit“ wird von manch Mächtigen neuerdings auch – je nach aktuellem Gusto – umdefiniert. Massive Anfeindungen im Netz zählen zum Beispiel auf einmal unter „Meinungsfreiheit“.
Aber mit welcher Intention wird gehandelt? Sicherlich nicht zum Wohle des Volkes und des Planeten. Sondern eher für die eigenen Vorteile und vor allem: MACHT. Geltungsbedürfnis. Und Geld.
Wissenswertes zum menschlichen Verhalten
Grundsätzlich möchte ich festhalten (basierend auf Theorien, Modellen und Erfahrungswerten zu Kommunikation, Systemlogiken, Macht, Transaktionsanalyse, Psychologie, Pädagogik, Soziologie u.a.. Und aus Coaching-Begegnungen mit Menschen aus totalitären Staaten):
- Wer laut herumschreit, hat nicht automatisch recht.
Die Person bedient sich lediglich uralter rhetorischer Mittel, um stark und überzeugend zu wirken. Meistens steckt hinter dem lauten Schein leider wenig Substanz. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen und – vor allem – nachzufragen! Und manchmal hat, wer laut schreit, bereits die Kontrolle verloren (zumindest in der Kindererziehung ist das meist so…). - Wer für komplexe Themen nur einfache Antworten gibt, der lügt und banalisiert.
Und bedient damit gezielt den kindlichen Wunsch verunsicherter Menschen nach einem fürsorglichen „Über-Vater“ oder einer „Über-Mutter“. Eine Person/Partei, die endlich zeigt, wo es langgeht und „hart durchgreift“! Mit der (kindlichen) Hoffnung, dass sie zu den eigenen Gunsten handeln wird. Das klappt jedoch – wenn überhaupt – nur temporär, wenn man gerade im Körbchen der „Richtigen“ ist. Es kann sich schnell ändern. Und der Preis dafür kann sehr hoch werden. - Wer andere anfeindet und bedroht, ist weder souverän noch selbstsicher.
Im Gegenteil: Die Person wertet andere ab und zeigt ihre „Machtmuskeln“, um sich selbst besser zu fühlen. Diese Art von Selbstinszenierung ist eigentlich eher armselig. Denn: Ein Mensch mit einem gesunden Selbstwert und einem gefestigten Selbstbewusstsein hätte das gar nicht nötig!
Macht kann schnell zu Gewalt umschlagen. Idealerweise braucht es Menschen in Führungspositionen, die ihre Macht konstruktiv und zielführend ausfüllen. Mit Gestaltungswillen, Selbstkenntnis und Rückgrat.1
Was das alles mit dir zu tun hat, fragst du dich vielleicht? Naja, eine ganze Menge.
Zum Dominant sein gehören immer mindestens zwei – eine Person, die schreit und eine andere, die es zulässt. Sich unterordnet. Nicht-Handeln und Schweigen sind eine Form der passivem Zustimmung. Und des Mitlaufens.
ABER: Ohne Masse keine Macht! Politische und gesellschaftliche Macht ist nur möglich, wenn die Masse mitmacht. Ich wage sogar zu behaupten: Je passiver und leiser die Masse ist, desto einfacher wird sie formbar. Machtmissbrauch wird dann immer leichter.
Die gute Nachricht: Die „Masse“ der Gesellschaft besteht aus vielen kleinen Puzzleteilen. Eins davon bin ich, und eines davon bist du 😊. Dafür sollte jede:r von uns Verantwortung übernehmen.
Offener Diskurs statt „Schwarz-Weiß“
Die Herausforderungen unserer Zeit werden WEDER durch extreme, radikale Parolen NOCH durch weichgespülte Schönfärberei gelöst. Es gibt so viele wichtige Möglichkeiten zwischen dem polarisierenden „Schwarz und Weiß“!
Dazu braucht es einen echten, ergebnisorientierten Diskurs. Mit langfristiger Perspektive und auf Grundlage des Grundgesetzes und der Menschenrechte.
Lass uns der Macht der Lauten die „Kraft der Leisen“ entgegensetzen. Mit Substanz klare Statements abgeben. Den offenen Diskurs mit all seinen Varianten einfordern und unterstützen. Wirkungsvolle Fragen stellen. Und Einhalt gebieten.
Was wir „Leisen“ tun können? Die Stimme erheben!
Mein Vorschlag: Werde hörbar und erhebe deine Stimme für das, was dir wichtig ist. Übernimm‘ Verantwortung für dein „Puzzleteil“ in der Gesellschaft. Sei mutig.
Du könntest z.B. folgendes tun:
- Teile deine Gedanken mit Anderen, etwa im Freundeskreis, im Team oder beim Sportverein. Das ist aktuell vielleicht dringender als über den nächsten Urlaub, die Erhöhung der Müllgebühren oder das Wetter zu sprechen!
- Stelle lauten Menschen mit platten Parolen offene Rückfragen. Dies ist meist eher unbeliebt, kann aber wirksam sein 😊. Hilfreiche Fragen zum Nachhaken, Perspektiven wechseln und Zweifel säen sind z.B.:
- Was genau meinst du mit „XY“…? / Erkläre es mir bitte nochmal, das habe ich noch nicht verstanden.
- Was bedeutet das für XYZ (betroffene Personen)?
- Auf einer Skala von 1-10, wie sicher bist du dir, dass das funktioniert? Und nur mal theoretisch, was würde dich zweifeln lassen?
- Was wäre die Konsequenz, wenn du dich irrst?
- Welche guten Gründe haben diese Leute, die anderer Meinung sind?
- Höre zu und zeige aufrichtiges Interesse an der Perspektive und den Erfahrung deines Gegenübers. Hinter radikalen Haltungen stecken häufiger grundlegende Bedürfnisse (z.B. nach Anerkennung und Gehört werden) und Gefühle (Hass ist z.B. ein häufiges Ersatzgefühl für Angst oder ein geringes Selbstwertgefühl…).
- Setzte ein deutliches STOP und Grenzen, wenn es (dir) zu viel, zu menschenverachtend oder zu laut ist!
- Werde aktiv und (selbst-) wirksam: Du könntest bewusst deine übliche „Blase“ verlassen und andere Leute treffen. Nimm z.B. an Demonstrationen teil oder engagiere dich in gesellschaftlichen oder politischen Gruppen. Und gehe natürlich im Februar wählen.
- Finde „Gleichgesinnte“, um dich zu stärken und gemeinsam zuversichtlich zu bleiben.
Das sind meine Ideen. Welche hast du noch? Und wie können wir uns zusammentun?
Herzliche Grüße
Susanne
P.S.: Das Grundgesetz gibt es HIER zum unterhaltsamen Nachhören von Bodo Wartke & Band. Ja, das ist der mit den Dachdeckern und Barbaras Rhabarberbar 😊. (Link führt zu Youtube)
P.P.S.: Du möchtest noch mehr über gesunde (Selbst-) Führung, erfolgreiche Karrierewege, Sinn und Wirksamkeit lesen? Dann melde dich gern zu meinem leisen Newsletter an und stöbere auf meinen Blog weiter.
- Mehr zum Thema Macht und Führung“ findest du in meinem Blogartikel von Juni 2023. ↩︎